Den Ersten erwischte es schon morgens
kurz nach acht. Ein Schuss mit aufge-
setzter Pistole in den Nacken. Vermutlich
hatte er die Waffe kaum gespürt. Er fiel
vornüber aufs Gesicht, die Leine entglitt
ihm. Die rote Kapuze bedeckte seinen
Hinterkopf, der lange rote Mantel seinen
Körper. Er trug grobe schwarze Schuhe.
Einige Strähnen des weißen gewellten
Bartes waren zu sehen. Die Karotte, mit
der er den Esel bei Laune gehalten hatte,
war ihm aus der Hand geflogen und lag
einige Meter entfernt im bräunlichen
Gras.
Kein Mensch hatte etwas mitbekommen.
An diesem kalten, regnerischen Morgen
des 6. Dezembers war niemand auf dem
Spazierweg unterwegs, nicht einmal
Jogger oder Hundebesitzer. Hier ging die
Stadt ins ländliche Gebiet über: keine
Autostraßen, kaum Häuser außer einigen
Bauernhöfen. Auf der einen Seite des
Wegs plätscherte der Bach, auf der
anderen Seite erstreckte sich eine weite
Ebene, begrenzt von Wald. Kein Hauch
Schnee lag auf der Landschaft, keine
Adventsromantik – aber die wäre jetzt
ohnehin zum Teufel gewesen.
Der Esel beugte seinen Kopf zum Mann
hinunter und schnupperte an der dünnen
Blutspur, die aus der Kapuze auf den
Boden rann und neben seinem Nacken
langsam eine kleine Lache bildete. Dann
wandte er sich ab, ging ein paar Schritte,
schnappte sich die halbe Karotte, die
noch übrig war, von der Wiese und kaute
sie gemächlich. Er schaute unschlüssig
nach rechts und links, blickte nochmals
auf den Körper auf dem Weg, der sich
nicht mehr rührte, kam zurück und
stupste ihn mit der Nase an, worauf er
aber nicht reagierte. Dann drehte der Esel
sich langsam um und trottete den Weg,
auf dem er mit dem Nikolaus gekommen
war, zurück Richtung Stall. Die Leine
schleifte hinter ihm her.